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Manfred Stoll - Praktischer Tierarzt

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Hufrehe bei Eseln

esel7"Hufrehe", was steckt eigentlich hinter dieser Krankheitsbezeichnung ?

Unter den meisten Esel - und Pferdehaltern ist dieser Begriff bekannt und viele kennen einen Zusammenhang, daß zuviel Futter bzw. Eiweiß im Futter Hufrehe verursachen soll. Was hat aber zuviel Futter mit einer so schweren Erkrankung der Hufe zu tun ? Um etwas Licht in die Zusammenhänge zu bekommen schauen wir uns erst einmal den Aufbau des Hufs und die Krankheitsprozesse etwas genauer an:

Der Huf beinhaltet in seinem Inneren das Hufbein, das mit der Huflerderhaut überzogen ist. Die Huflederhaut besitzt am Übergang zum Hufhorn Zotten die sich mehrfach verzweigen.

Diese Oberflächenvergrößerung ist nötig, um eine stabile Verbindung zum Hufhorn zu erreichen und der enormen Beanspruchung stand zu halten. Wenn man diese Konstruktion auf uns Menschen überträgt, müßten wir versuchen auf langen Fingernägeln zu laufen.

Die Zellen der Huflederhaut können diese Beanspruchung nur aushalten, wenn sie vollkommen intakt sind und mit Sauerstoff und Nährstoffen über das Blut ausreichend versorgt werden.

Unter bestimmten Umständen kann es zu Durchblutungsstörungen durch Gefäßverengungen der Huflederhaut kommen, die dazu führen, daß nicht genügend Sauerstoff und Nährstoffe zu den Zellen transportiert werden können, so daß diese Zellen absterben und der Zusammenhalt zwischen Huflederhaut und Hufhorn in diesen Bereichen teilweise, oder je nach Grad der Erkrankung ganz, verloren geht.

Da das Gewicht des Tieres auf der Hufwand lastet und gleichzeitig die tiefe Beugesehne am Hufbein zieht, kommt es je nach Schwere der Erkrankung zu einem Lösen der Hufwand von der geschädigten Huflederhaut und damit zu einem Absinken bzw. einer Rotation der Hufbeinspitze nach unten. Im Vergleich mit unserem Fingernagel wurde dies das Ablösen unseres Fingernagels bedeuten.

Da ein Teil der Blutgefäße, die die Huflederhaut versorgen, über die Hufsohle zur Huflederhaut der Vorderwand ziehen, hat eine Hufbeinrotation zur Folge, daß diese Blutgefäße abgedrückt werden und somit dauerhaft eine reduzierte Blutversorgung der Huflederhaut die Folge ist.

Der Druck der Hufbeinspitze auf die Hufsohle kann zum Absterben der Sohlenlederhaut in diesem Bereich führen oder im Extremfall zum Durchbruch durch die Hufsohle.

Faktoren, die zu Durchblutungsstörungen der Huflederhaut führen können sind:

  1. Bakterientoxine (Endotoxämie: Giftstoffe aus gewissen abgestorbenen Bakterien gelangen ins Blut)
    Beim Absterben endotoxinbildender Bakterien können bei unterschiedlichen Erkrankungen diese Gifte in den Blutkreislauf gelangen und dort zu Gefäßwandschäden, Durchblutungsstörungen und Blutgerinnseln in den Haargefäßen führen.
    Die Erkrankungen, bei denen Endotoxine entstehen können sind z. Bsp.: Koliken (besonders bei Darmverschluß), Colitis (Dickdarmentzündung), Lungenentzündung, Gebärmutterentzündung, besonders durch Nachgeburtsverhaltung (Geburtsrehe) e.t.c..

  2. Kohlenhydratüberschuß
    Durch übermäßige Aufnahme kohlenhydratreichen Futters (das besagte Eiweiß spielt gar nicht die Hauptrolle !), wie z. Bsp.: Getreide, Pellets oder junges Gras oder Klee, kann es zur Endotoxämie (s.o.) mit Hufrehe als Folge kommen. Durch den massiven Abbau der Kohlenhydrate bei der Verdauung durch Milchsäure- bildende Bakterien, kommt es zur Übersäuerung des Darminhaltes. Diese Übersäurung schädigt im Darm lebende endototoxinbildende Bakterien, was zur Freisetzung der Endotoxine führt. Gelangen diese Endotoxine nun in den Blutkreislauf, kommt es zu den oben beschriebenen Reaktionen und der Durchblutungsstörung der Huflederhaut.

  3. Überbelastung
    Bei einer höchstgradigen Lahmheit eines Beines wird automatisch das gegenüberliegende Bein stark überbelastet. Da ein Teil der Blutgefäße, die die Huflederhaut versorgen über die Hufsohle nach vorne zur Lederhaut ziehen, führt die andauernde Belastung durch die Kompression dieser Blutgefäße zu Durchblutungsstörungen mit Mangelversorgung der Huflederhaut bis hin zur Hufrehe. Gerade bei Eseln führen immer wieder fehlerhafte Hufformen zu Hufrehe. Eine hochgradig zu lange Zehe kann durch Fehlbelastung der Hufstrukturen Durchblutungsstörungen verursachen und zur Hufrehe führen.

  4. Austrocknung und Schock
    Bei allen Krankheitsgeschehen, bei denen es zu einer Kreislaufzentralisation kommt, kann die Minderdurchblutung der Peripherie und im Darm zu Hufrehe führen. Die Minderdurchblutung der Darmwand kann zur Schädigung derselben mit einer vermehrten Durchlässigkeit für Endotoxine führen, die wiederum zur Rehe führen können.

  5. Corticosteroide
    Hohe Konzentrationen körpereigener oder zugeführter Corticosteroide können die gefäßverengende Reaktion der Gefäße der Huflederhaut auf adrenerge Substanzen so verstärken, daß im Extremfall eine Hufrehe daraus resultieren kann.

Symptome von Hufrehe:

 

  • Mit Ausnahme der Rehe, ausgelöst durch höchstgradiger Lahmheit eines Beines, kommt die Hufrehe in der Regel an beiden Vorderhufen oder an allen vier Hufen vor.
  • Die Vorderhufe sind stärker betroffen, weil sie mehr Gewicht als die Hinterhufe tragen müssen.
  • Die Erkrankung kann hochakut oder auch schleichend verlaufen.

 

Bei akuter Hufrehe tritt infolge einer der oben genannten Ursachen eine stark progressive Schmerzhaftigkeit vor Allem der Vorderbeine auf, die bedingt, daß die Esel nicht mehr laufen möchten und die Füße oft abwechselnd entlasten. Typisch ist der sogenannte Wendeschmerz. Da die Hinterhufe weniger schmerzhaft sind, versuchen die Esel das Körpergewicht vermehrt mit den Hinterbeinen zu tragen und schieben diese vermehrt unter den Bauch. Die Vorderbeine werden zur Entlastung nach vorne gestreckt.

Bei starken Schmerzen steigt die Pulsfrequenz an und manchmal fangen die Esel an zu schwitzen. Zur Entlastung der Beine legen sich die Tiere auch oftmals hin. Die Symptome können manchmal etwas untypisch verlaufen, so daß die Erkrankung leicht mit Kreuzverschlag, Kolik oder Tetanus verwechselt werden kann.

Die Arterien, die in den Huf ziehen pulsieren verstärkt.

Mit Hilfe einer Röntgenuntersuchung kann der Grad einer Hufbeinrotation ermittelt werden.

Behandlung der akuten Hufrehe:

Bis der Tierarzt eintrifft sollte die Zeit genutzt werden um die Hufe stark zu kühlen. Durch die Kühlung wird erreicht, daß der Sauerstoff- und der Nährstoffbedarf der Huflederhaut herabgesetzt wird und somit nicht so viele Zellen aufgrund der Unterversorgung absterben. Außerdem wirkt die Kälte entzündungslindernd. Die Esel sollten außerdem auf weichen Untergrund gestellt werden, am besten in feuchten kühlen Sand.

Die tierärztliche Behandlung sollte einmal versuchen das Grundproblem, das zur Hufrehe geführt hat anzugehen und gleichzeitig das Ziel verfolgen die Hufbeinrotation zu verhindern bzw. aufzuhalten, den Schmerz und die Entzündung zu bekämpfen und den Blutfluß zu verbessern.

Ein Problem der Therapie ist die Tatsache, daß vor dem Eintreten der Krankheitszeichen schon eine mehr oder weniger starke Degeneration der Huflederhaut stattgefunden hat.

Vorbeuge von akuter Hufrehe:

Bei allen oben genannten Faktoren und Erkrankungen, die zu Endotoxinbildung und Durchblutungsstörung der Huflederhaut führen können, muß möglichst schnell das Problem behandelt werden um das Risiko der Hufrehe zu verringern.

Bei der Fütterung der Esel ist darauf zu achten, daß nicht zu viel Kohlenhydrate zugeführt werden und die Weideflächen nicht zu üppig sind. Wenn man sich die Herkunftsgebiete der Esel anschaut, stellt man fest, daß diese Gebiete in der Regel sehr karg und dürftig bewachsen sind. So wird vielleicht verständlich, warum so viele Esel unter unseren so gut gemeinten Haltungsbedingungen an Hufrehe erkranken. Ganz besonders haarsträubend ist oft das Verhältnis von Futter zu Arbeit! Arbeitende Esel vertragen eine Ganze Menge mehr Energiefutter als geschonte Esel. Außerdem ist die regelmäßige Arbeit und das Laufen eine der besten Vorbeugemaßnahmen gegen Hufrehe. Da man regelmäßige Bewegung mißdeuten könnte, ergänze ich noch, daß nur die tägliche ausreichende Bewegung einen Vorbeugeeffekt hat.

Folgen der akuten Hufrehe:

Außer bei ganz milden Reheerkrankungen ist nach einiger Zeit durch die Schäden der Huflederhaut und der mehr oder weniger stark ausgeprägten Hufbeinrotation eine Verbreiterung der Weißen Linie des Hufs zu erkennen. Diese verbreiterte Weiße Linie hat meist eine zerklüftete Struktur, die dazu führen kann, daß entlang dieser Risse und Defekte Bakterien in den Huf eindringen können und leicht zu Hufgeschwüren führen.

Wenn zusätzlich zur Verbreiterung der Weißen Linie Veränderungen und Probleme auftreten, spricht man von chronischer Hufrehe. Zu diese Problemen gehören : - Hufsohlendruck, durch den Druck der rotierten Hufbeinspitze auf die Hufsohle mit dauerhaften schmerzen und Drucknekrosen . - Zusammenhaltsverlust zwischen Hufwand und Hufbein mit Bildung der hohlen Wand bis zum Knollhuf ( sog. Rehehuf). - Permanente Durchblutungsstörungen durch mechanische Einengung der Blutgefäße durch die Hufbeinrotation.

Aufgrund dieser bestehenden Abnormitäten entwickeln sich sehr häufig: Hufsohlenentzündung bis zum Abszeß, Ablösen der hohlen Wände, Hufrisse, Degeneration der Hufbeinspitze durch den dauerhaften Druck, chronische Trachtenüberlastung und Verlangsamung des Hufwachstums.

Wenn man sich diese Liste an Veränderungen betrachtet ist es kaum verwunderlich, daß Esel mit chronischer Hufrehe sehr anfällig für akute Reheschübe bleiben.

Die Behandlung der chronische Rehe besteht in erster Linie in der optimalen Hufversorgung, wie Spezialbeschlag, der das Eselgewicht auf Strahl und hinteren Hufbereich verteilt und die geschädigte Hufspitze entlastet. Lose Wände und die sehr stark nach vorne wachsende Zehe werden entfernt. Um die Hufbeinrotation wieder etwas "aufzufangen", wird nun der Trachtenbereich regelmäßig so weit gekürzt, bis die Hufbeinsohle möglichst wieder parallel zum Untergrund verläuft. Röntgenaufnahmen sind für eine richtige Hufkorrektur sehr wichtig, um die Stellung des Hufbeins berücksichtigen zu können.

Wenn durch die Maßnahmen eine Beschwerdefreiheit erzielt werden konnte, sollte tägliche Bewegung die Behandlung begleiten um die Durchblutung des Hufs zu verbessern. Da die Neigung zu akuten Reheschüben sehr groß ist, sind die oben beschriebenen vorbeugenden Maßnahmen von noch entscheidender Bedeutung, da jeder weitere Reheschub durch neue Schäden die Hufsituation verschlechtert und zu dauerhafter Schmerzhaftigkeit führen kann.

 

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